Kirchenführer, Verlag Schnell & Steiner
Fotograf: Kurt Gramer, Bietigheim-Bissingen
Am 1. Juni 1823 verfügte das badische Ministerium des Innern den Abbruch der Kümmerniskapelle, die sich in der Nähe des Gasthauses »Linde« (Obere Hauptst. 10) befand. Das Inventar der kleinen Kapelle wurde versteigert. Eine geschnitzte Statue, die die »heilige Kümmernis« darstellte und um 1740 geschaffen worden war, ging nach Reiselfingen.
Heimatforscher Leo Ratzer (1881-1948) hielt 1933 die mündliche Überlieferung, die sich um diese Heiligendarstellung rankte, schriftlich fest. Demnach soll die Gastwirtsfamilie Meßmer nach dem Abbruch der Kapelle Unglück bekommen und daraufhin das Bildnis gekauft und nach Löffingen zurückgebracht haben. Sie stellte es zunächst auf ihren Speicher. In heiligen Nächten sollen daraufhin seltsame Geräusche vom Dachboden zu hören gewesen sein. Die Meßmers ließen das Bildnis daraufhin in der südlichen Friedhofsmauer in einer Nische aufstellen. Die Statue wurde dort weiterhin verehrt, vor allem von jungen Frauen, für die die »heilige Kümmernis« als Fürsprecherin galt. Schließlich wurde die Statue in der Friedhofskapelle aufbewahrt und später in die katholische Pfarrkirche St. Michael überführt. Sie fand im hinteren Teil des Langhauses einen neuen Platz.
Im Volksglauben galt die »heilige Kümmernis« als Tochter eines nichtchristlichen Königs. Als der sie an einen Nichtchristen verheiratet wollte, habe sie Jesus Christus Jungfräulichkeit gelobt und ihn darum gebeten, ihr einen Bart wachsen zu lassen. Sie sei daraufhin von ihrem Vater verstoßen und gekreuzigt worden. Anstelle des Schildes »INRI«, die bei Darstellungen des gekreuzigten Jesus üblich ist, ist hier ein Schild mit der Inschrift »St. Kümmernis« zu sehen.
Die »bärtige Heilige« ist von der katholischen Kirche nicht als offizielle Heilige anerkannt. Im Volksglauben konkurrierte sie sogar zeitweilig mit dem Marienkult.
Standort des Fotografen: 47.882547, 8.344172