Blick vom Kirchturm in Richtung Obere Hauptstraße, ca. 1954/55

Verlag A. Rebholz, Löffingen

Der Blick vom Kirchturm wandert zunächst über die Kirchstraße (damals Hafnergasse). Die Häuser der beiden Straßenseiten sind aufgrund ihrer unterschiedlichen Bausubstanz deutlich voneinander zu unterscheiden: Die Häuser rechts im Vordergrund sind nach dem Großbrand 1929 neu gebaut worden. Sie verfügen alle über Staffelgiebel und neueingedeckte Dächer. Kleinere Reparaturen im Dach sind auf Kriegsschäden zurückzuführen. 

Hinter den Häusern auf der linken Straßenseite ragt das große Gebäude des früheren Gasthauses »Sonne« hoch. Direkt dahinter steht das Gasthaus »Löwen«. Der Blick schweift weiter über die Dächerlandschaft in Richtung Vorstadtstraße und Obere Hauptstraße. Als markanter Orientierungspunkt dient das Gasthaus »Linde«. Zu seiner rechten schließt sich die »Linden«-Wiese an der heutigen Festhallenstraße an. Dort wo Obstbäume stehen, befindet sich heute die Realschule. In der Haslachstraße werden gerade Einfamilienhäuser gebaut und die Siedlung »Neue Heimat« entsteht. Auch der neu gebaute Feuerwehrturm hebt sich vor dem Häusergewirr ab. In der Bittenstraße (damals Hintergasse) ist im Vordergrund der – im Krieg stark zerstörte und 1946 wiederaufgebaute – Farrenstall und das Trafohaus am Schulweg zu erkennen. 

Standort des Fotografen: 47.882631, 8.344128

Kühe am Brunnen in der Kirchstraße, 13. September 1936

Dieses Foto stellte dankenswerterweise Anita Stephani zur Verfügung.

Es ist der 13. September 1936, ein Sonntag. Die Sonne steht warm über der Kirchstraße, und am alten Steinbrunnen sammeln sich die Kühe. Sie senken ihre Köpfe zum Wasser, während ein junger Mann danebensteht und das Treiben beobachtet. Für die Menschen im Städtchen ist das ein alltägliches Bild – und doch lohnt es sich, an diesem Tag den Fotoapparat hervorzuholen.

Der Brunnen dient seit vielen Jahren als Viehtränke. Immer wieder werden die Tiere aus den nahen Ställen hierhergetrieben, um ihren Durst zu stillen. Asphalt gibt es noch keinen, die Straße ist unbefestigt, nur rund um den Brunnen liegt ein Pflaster aus groben Steinen.

Fast alle Familien in der Kirchstraße betreiben eine Landwirtschaft, viele neben ihrem eigentlichen Beruf. Auf dem Foto sind links die Anwesen von Josef Heiler II (Kirchstr. 8), von Schmiedemeister Hermann Brunner (Kirchstr. 6), von Landwirt Theodor Hasenfratz (Kirchstr, 4) und Franz Zepf (Kirchstr. 2) zu erkennen. Rechts bewirtschaften Landwirt Johann Laufer (Kirchstr. 17), Kaufmann Theodor Walz (Kirchstr. 15), Bäckermeister Jakob Zahn (Kirchstr. 13) und Wagnermeister Adolf Schelling (Kirchstr. 11) ihre Landwirtschaft. Vieh, Werkstatt und Laden gehören hier selbstverständlich zusammen.

Standort des Fotografen: 47.883147, 8.344704

Haus Benz in der Kirchstraße, vor 1914

Sammlung Familie Waßmer

Aus den Fenstern lehnen sich neugierige Gesichter, sie blicken hinunter auf das Geschehen in der Kirchstraße. Mitten darunter: der Seifensieder Anton Benz (1848-1936), am Fenster über der Stalltür. Er ist ein hochdekorierter Veteran des deutsch-französischen Krieges von 1870/71.

Im Erdgeschoss betreibt er gemeinsam mit seiner Ehefrau Rosalia Benz (geb. Heizmann, 1849–1932) eine Seifensiederei mit eigenem Laden. Wer den Blick auf die Schaufensterscheibe richtet, erkennt die Auslage: Stücke von Kernseife, Päckchen mit Waschpulver, Flaschen mit Bodenöl und sogar Karrenschmiere. Praktische Dinge für den Alltag – unverzichtbar in einem Haushalt, in einer Landwirtschaft, in einem Betrieb. Das Haus Benz in der Kirchstraße trägt den Hausnamen »s’Soapfesieders«

Standort des Fotografen: 47.883097, 8.344373

Narrentreiben auf der Bühne in der Kirchstraße, Fasnacht ca. 1955-1960

Dieses Foto stellte dankenswerterweise Maria Göpper zur Verfügung.

Die Bühne in der Kirchstraße bebt, Gelächter und Anfeuerungsrufe hallen durch die Gasse. Mit aller Kraft stemmen sich die »Laternenbrüder« und die »Hansele« ins Seil, die Gesichter verzerrt vor Anstrengung, die Füße fest in die Bohlen der Bretter gestemmt. Mal wankt die eine Seite, mal die andere – doch keine will nachgeben. Mitten im Tumult steht der Narrenpolizist Fritz Göpper (1900-?) und wacht über das Spiel. Mit ernster Miene, aber blitzenden Augen spielt er den Schiedsrichter, während um ihn herum die Zuschauer*innen johlen.

V.l.n.r.: 1 ???, 2 ???, 3 ???, 4 ???, 5 Fritz Göpper (1900-?)

Standort des Fotografen: 47.883193, 8.344708

Kindertanz auf der Bühne in der Kirchstraße, ca. 1955-1960

Dieses Foto stellte dankenswerterweise Maria Göpper zur Verfügung.

Buntes Stimmengewirr liegt über der Kirchstraße: Auf der Fasnachtsbühne haben sich Kinder im Kreis aufgestellt, sie rufen ausgelassen ihre Narrensprüche und lachen dabei aus voller Kehle. In den Händen halten sie Luftballons – Werbung des Schuhgeschäfts Hasenfratz. Ein Narrenpolizist wacht mit ernster Miene über den ordentlichen Ablauf, doch eigentlich ist hier alles pure Ausgelassenheit. Neben ihm stehen »Laternenbrüder«, die blaue Fuhrmannskittel tragen.

Die Kinder des Jahrgangs 1951/52 tanzen »Ringelreihen« – und ihre Freude ist greifbar. Ihre Kostüme sind so unterschiedlich wie ihre Gesichter, aber die Begeisterung für die Fasnacht eint sie alle.

V.l.n.r.: 1 Erika Geisinger, 2 Marlies Müller, 3 Annemarie Hryzuniak (verh. Fischer), 4 Hansjörg Waibel, 5 Detlef Seidenberger, 6 Siegfried Riecker, 7 Klaus Baader

Im Hintergrund ist das Haus des Landwirts Adolf Sibold (Kirchstraße 19) zu erkennen.

Standort des Fotografen: 47.883127, 8.344551

Narrengruppe auf dem oberen Rathausplatz, Fasnacht 1950

Dieses Foto stellten dankenswerterweise Michael Rösch und Sonja Schwörer zur Verfügung.

»»» Trigger-Warnung

Auf der Rückseite des Fotos steht: »Fasnacht 1950 Neger-Gruppe«. Damals war diese Bezeichnung noch sehr verbreitet. Spätestens heute gilt das »N-Wort« als Schimpfwort und als abwertende rassistische Bezeichnung für schwarze Menschen. Dass auch die Darstellung bei der Fasnacht 1950 durchaus abwertend gemeint ist, zeigen die Kostüme, das »Blackfacing«, aber vor allem das Gebaren der Narren, ihre Gestik und Mimik. Affenähnlich auf dem Boden kauernd und primitiv die Zunge herausstreckend werden schwarze Menschen dargestellt. Und ein weißes Publikum lacht. 

Nun ist an Fasnacht bekanntermaßen (fast) alles erlaubt, aber eben nur fast. Die Grenze verläuft dort, wo sie andere diskriminiert und herabwürdigt. Das Fasnachtsmotto 1950 lautet: »Völkertreffen in Löffingen, der Zentrale Europas«.

Standort des Fotografen: 47.883967, 8.344944

Aufführung auf der Fasnachtsbühne in der Kirchstraße, Fasnacht 1961

Dieses Foto stellte dankenswerterweise Anita Stephani zur Verfügung.

Vor der großen Bühne in der Kirchstraße drängt sich die Menschenmenge. Kinder recken die Hälse, Erwachsene lachen und klatschen, als die Stadtmusik. Zwischen den Reihen treten die »Laternenbrüder« auf. Über allem thront die überlebensgroße Hexe der Hexengruppe – zugleich Furcht einflößend und komisch, eine perfekte Kulisse für das ausgelassene Spiel.

Im Hintergrund zeichnen sich auch die Häuser der Kirchstraße ab, unbeabsichtigt Teil der Szenerie. Besonders das Haus von Richard Funk (Kirchstr. 10) fällt ins Auge: Ein Haus mit Wiederkehr zur Straße, einer hohen, schmalen Dachgaube und schweren Holztüren, unter denen ein Aufzugskran angebracht ist. Wer genau hinsieht, erkennt, dass die Fenster schief stehen – ein Zeichen dafür, dass sich Teile des Gebäudes bereits gesenkt haben. Wenige Jahre später wird das Haus, zusammen mit dem Nachbarhaus Heiler (Kirchstr. 8), abgerissen. An ihrer Stelle errichtet Dr. Gebhard Hecht einen Neubau.

Standort des Fotografen: 47.883162, 8.344674

Oberer Brunnen in der Kirchstraße, ca. 1938-1945

Dieses Foto stellte uns dankenswerterweise Rudolf Heiler zur Verfügung.

Links im Bild steht der Landwirt Josef Heiler II (1910-1972) vor seinem Haus. Er hat seine Kühe wie üblich aus dem Stall gelassen, damit sie am oberen Brunnen in der Hafnergasse trinken. Sein Sohn steht sichernd im Vordergrund, damit die Tiere nicht weglaufen. Der Platz rund um den Brunnen, der heutzutage im Stettholz steht, ist gepflastert, aber die Straße und die Hoffläche bestehen aus gestampfter Erde.

Auffallend am Haus Heiler ist das steile hohe Dach mit breitem Dachüberstand. Nebenan sieht man das Haus Schlenker und das Haus Fehrenbach mit Ökonomie und Wohnhaus mit höher aufragendem Dach.

Standort des Fotografen: 47.883177, 8.344727

Baufund beim Abriss des Hauses Fehrenbach, 1988

Stadtarchiv

Als 1988 das alte Haus Fehrenbach (Kirchstr. 4) abgerissen wird, kommt im Innern ein überraschender Fund zum Vorschein: eine kunstvoll gearbeitete Steinsäule mit Verzierung und eingemeißeltem Stern. Sie erzählt von der langen Geschichte des Gebäudes, das über Generationen hinweg im Besitz von Löffinger Familien war.

Die Säule wird geborgen und bleibt erhalten. Zwei Jahre später findet sie einen neuen Platz im Heimatmuseum, das 1990 eröffnet wird – und erinnert dort bis heute an das verschwundene Haus und an die historischen Schichten, die im Stadtbild verborgen liegen.

Standort des Fotografen: 47.883385, 8.344900

Abbruch vom Haus Fehrenbach in der Kirchstraße, ca. 1988

Stadtarchiv

Schutt, Staub und ein klaffendes Mauerwerk: 1988 verschwindet das Haus Fehrenbach (Kirchstr. 4) aus dem Straßenbild der Kirchstraße. Generationenlang war es im Besitz der Familie Hasenfratz, ehe es durch die Heirat von Lina Hasenfratz mit Franz Fehrenbach an die Familie Fehrenbach überging. Das Gebäude war eines der ältesten der Straße, seine Baugeschichte reichte weit zurück – und doch war es nun dem Abbruch geweiht.

An seine Stelle tritt ein Neubau, der mit drei Geschossen und einer zusätzlichen Wiederkehr im Dachgeschoss die Höhe seiner Nachbarhäuser deutlich überragt. Markante Staffelgiebel trennen das neue Wohn- und Geschäftshaus von den angrenzenden Gebäuden. Links daneben das Haus Schlenker (Kirchstr. 6) wird fast puppenstubenartig klein.

Standort des Fotografen: 47.883209, 8.344783

Häuser Schlenker und Fehrenbach in der Kirchstraße, ca. 1988

Sammlung Familie Waßmer

Ein letzter Blick, bevor die Abrissbirne kommt: 1988 wird das Haus Fehrenbach (Kirchstr. 4) fotografisch dokumentiert, ehe es aus dem Stadtbild verschwindet. Das Gebäude der Familie Fehrenbach, einst im Besitz von Landwirt Franz Fehrenbach (1897-1976) und seiner Ehefrau Lina Fehrenbach (geb. Hasenfratz, 1901–1991), besteht aus zwei Teilen – einem Wohnbereich und einem landwirtschaftlichen Teil. Auffällig ist, dass der Wohntrakt im Laufe der Jahre um ein Stockwerk erhöht wurde. Die veränderte Dachneigung verrät den Umbau und unterscheidet das Haus deutlich von seinen Nachbarn.

Links schließt sich das Haus Schlenker (Kirchstr. 6) an, seit Jahrzehnten unverändert. Hier wohnen Landwirt Fritz Schlenker (1912-?) und seine Ehefrau Helene Schlenker (geb. Rösch, 1927-2019). Vor den Häusern zeigt sich die neu gestaltete Kirchstraße: Pflaster wechselt sich mit Asphalt ab, und frisch gepflanzte kleine Bäume sollen dem Straßenraum wieder ein grünes Gesicht geben.

Standort des Fotografen: 47.883209, 8.344783

Haus Welte in der Kirchstraße, ca. 1986/87

Sammlung Familie Waßmer

Das Haus von Christine Welte ist frontal zu sehen. Wohnhaus und Ökonomiegebäude sind zu dieser Zeit in einem desolaten Zustand. Das Scheunentor rechts gehört zu der Gemeindescheuer, die an das Haus Welte angebaut ist.

Die beiden Häuser bilden bis zum Abbruch 1988 den Eckpunkt in der Häuserfront der Kirchstraße. Ende der 1980er Jahre kauft die Stadt Löffingen beide Gebäude und reißt sie ab. An ihrer Stelle entsteht ein Neubau, in dem die Tourist-Information, die Bücherei, das Heimatmuseum und das Stadtarchiv untergebracht sind.

Standort des Fotografen: 47.883948, 8.345422